Freitag, November 03, 2006

Aus dem Leben eines Tageloehners Teil 3 - Unemployed

Tageloehner, dass bin ich hier, dass wollte ich hier auch sein. Doch lange halte ich es nicht mehr aus. Das Problem ist nicht die Arbeit, das Problem ist es Arbeit zu finden und die staendigen Fehlschlaege dabei. So muss sich Arbeitslosigkeit anfuehlen, wenn Arbeit der Normalfall ist. Unzufriedenheit kommt auf, wenn jeder nach Einkommen streben und selbst kein Tageslohn herein kommt. Geht mir das nicht schon eine ganze Weile so? Vielleicht, doch erst hier in Sydney scheint es mir von Bedeutung. Ich bin arbeitslos!
Fast alle Backpacker die ich hier treffe reisen mit einem "Work & Holiday Visa" (laut Immigration Center in 2005-06 in 1000er: 1.UK=28; 2.Korea=24; 3.Irisch=12; 3.Deutsch=12; etc. komplett=113; geschaetzer Wirtschaftsfaktor=1.6 Mrd A$). Wer moechte, kann waehrend seinem gesamten Aufenthalt unter Deutschen bleiben. Ganze Abi-Jahrgaenge scheinen sich in manchen Backpackern zu tummeln. Das Deutschland, laut Visavergabestatistik, nur auf Platz 3 liegt, kann ich kaum glauben. Aber durch die extreme Rudelbildung der einzelnen Nationalitaeten, und der werde ich unbewusst irgendwie immer ausgesetzt, kann meine subjektive Einschaetzung auch verfaelscht sein. Ein Heer von Arbeitsuchender, ein regelrechter "Working & Holiday"-Industriezweig. Viele bleiben die gesamte Visalaufzeit (bis zu 1 Jahr) in Sydney haengen, weil sie es wollen oder nicht und gerade soviel Geld verdienen um die Lebenskosten abzudecken. Nicht jeder hat das Glueck einen oder gleich mehrere gut bezahlte Jobs zu finden, um etwas Geld bei Seite zu schaffen um wirklich zu reisen. Wer damit rechnet "Work"-Zeitraum und "Holiday"-Zeitraum genau planen zu koennen, braucht entweder viel Glueck, eine Arbeitsagenturen kann dem auch manchmal etwas nachhelfen oder er muss damit rechnen, mitten im geplanten "Work"-Zeitraum arbeitslos zu werden und dann nicht spontan auf "Holiday"-Zeitraum umschalten zu koennen oder schlicht kein Geld dafuer hat. Mich hat es auch erwischt, und da in Sydney jeder seinen "Work"-Zeitraum eingeplant haben zu scheint, leide ich unter echten Symtomen der Arbeitslosigkeit, eine Art von "Keeping up with the Joneses" Phaenomaen.
Heute scheint der Hoehpunkt erreicht zu sein. Um 6 Uhr stehe ich auf, Fruehstueck und dann ab mit der U-Bahn von Kings Kross nach Chatswood, zum Autowaschen fuer 10A$ die Stunde im Akkord und ohne Pausen. Ist mir gleich, ich will die Arbeit, nicht schon wieder im Park liegen und Tagebuch schreiben, unter blauem Himmel mit Blick auf den schoensten Hafen der Welt und - OK, ich bin schon wieder im Botanischen Garten gelandet. Die Sonne brennt, trotzdem haben Massen von Aussis zur Mittagszeit den Buerostuhl verlassen und joggen an mir vorbei, dem braungebranten Arbeitslosen. Die Autowesche ist mir erspart geblieben, 8A$ fuer Hin und Rueckfahrt fuer die Katz', heute kein Bedarf, keine dreckigen Autos oder auch einfach zu schoenes Wetter heute. Die Idee als Diplom Kaufmann Autos im Akkord, zusammen mit indischen Wanderarbeitern, fuer 10A$ die Stunde zu waschen hatte etwas von "Tageloehnerromantik". Ach was, wohl eher der imaginaere Tausch von 10 Stunden Autowaesche in Australien gegen 7 Tage "Saus und Braus" im Paradis macht dieses Geschaeft attraktiv fuer mich. Globalisierung stellt eben auch das Werteverhaeltniss eines Globetrotters auf den Kopf. Wer von Afrika ueber Suedostasien reist und dann in Australien mit knapper Reisekasse angkommt, hat kein Beduerfniss Outback und Uluru zu erkunden, der will nur eins: Arbeit bzw. Geld! Zugegebenermassen, jetzt im Nachhinein, wenn ich Fotos vom Outback sehe, waehre nicht schlecht gewesen. Doch zu einfach scheint das Geld hier auf der Strasse zu liegen. Es ist Freitagabend und es ist wieder soweit fuer die beruechtigte Bar und Clubtour. Jedemenge neue Gaeste sind im Backpacker, hungrig die Stadt zu erkunden, unwissend wo die Party steigt und vorallem eins, knapp bei Kasse. Ideales Absatzterrain fuer die Party-Promotionheftchen. Wo zum Teufel steckt Liam? Wenn der hier nicht bald auftaucht, muss ich die Promotiontrommel wirbeln. Ein moeglicher Weg fuer mich aus der Arbeitslosigkeit in die Selbststaendigkeit. Wie gelaehmt sitze ich im Zimmer und starre aus dem Fenster auf Sydney. Die Skyline ist wolkenverhangen, die Strassen von Kings Kross sind noch feucht vom morgendlichen Regenschauer. Kein guter Tag fuer ein Sonnenbad im Botanic Garden, ideal fuer einen Job. Ich spreche meine neue japanische Mitbewohnerin an, ihr englisch beschraenkt sich leider fast nur auf Kopfnicken. Sie besucht eine Englischschule - gut, zumidest arbeitet sie dran. Ich klage ihr mein Leid von der Arbeitslosigkeit und dem vergessenem Backpackerspirit. Sie nickt, laechelt und muss auch schon wieder weg, ins Chinarestaurant, arbeiten. Ich rufe ihr noch hinterher, sie soll acht geben vor Babylon. Kein Kopfnicken mehr, sie eilt davon. Mein deutscher Hochbettkumpane ergreift seine Zahnbuerste und verlaesst den Raum kommentarlos. Die soziale Ausgrezung der Arbeitslosen beginnt. Wer ist hier eigentlich der Freak? Nur noch die Franzosen liegen schnarchend im Bett und schlafen hoechstwahrscheinlich ihren Rausch aus. Dem Gestank nach haben sie ihre Arbeitslosigkeit einfach verdraengt und beschraenken ihre Aktivitaeten auf das Nachtleben, da faelt es weniger auf wenn man arbeitslos ist. Was solls, Geld macht nicht wirklich gluecklich, und das steht sogar in der FAZ!



Arbeitslos und Spass dabei: Der Olli, DerBoB und der Abou!

Kommentar: Besonders die Job Storry Teil 3 - Arbeitslos, hat paradoxerweise der Arbeitslosigkeit einen Sinn durch die Berichterstattung darueber gegeben und mich somit wieder positiver nach vorne Blicken lassen. Manchmal hilft es die Dinge einfach aus einer anderen Perspektive zu betrachten um selbst noch ueber Enttaeuschungen lachen zu koennen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Kommst du noch mal nach Sydney, Heizére? wenn ja, kannst du Nicole besuchen. Du kennst sie von meiner Geburtstagsfeier. Die kleinere, die zwar mit reingefeiert hat, dann aber schon vor dem eigentlichen Fest wieder gegangen ist. Sie wohnt jetzt mit ihrem Freund in Sydney. Ich schicke dir ihrer Email-Adresse per Email.
Rock on, Baby!
DiGriz